Wiederbelebungsversuche: Debian auf alter Hardware
Debian-Day auf der
FrOSCon 2006
24. Juni 2006
Axel Beckert
<abe@noone.org>
http://noone.org/abe/
ÜBERSICHT
- Alte Hardware wegschmeißen? Kann man sowas noch gebrauchen?
- Welche Hardware ist noch sinnvoll?
- Warum Debian?
- Die Installation
- Worauf man bei der Paketauswahl achten sollte
- Webserver
- Desktop: Surfen, Arbeiten, Mobil sein
- Spielzeug
- Nachteile von Debian auf alten Rechnern
- Ideen rund um Debian und alte Rechner
Alte Hardware wegschmeißen?
Komplette, funktionierende Rechner? Keinesfalls!
Kleine Festplatten? Wieso denn? Ein paar hundert MB reichen
doch...
10-MBit-Netzwerkkarten? Heh, DSL hat eh nicht mehr Bandbreite!
Kann man sowas noch gebrauchen?
Aber sicher!
z.B. als Router, einfacher Webserver, DNS-Server, Gopher-Server
(stilecht! ;-), Surf-Terminal, IRC-Bouncer oder -Gateway, sparsamer
Router (Think Pad -äh- Laptop), günstigen Rechner für unterwegs (alter
Laptop hat nur noch emotionalen und praktischen Wert), Spielkiste
(Stichwort Sid) und vieles mehr...
Welche Hardware ist noch sinnvoll? (1)
Plattformen
- Alte PCs: Sind verbreitet wie Fußpilz und gibt's in der
Zwischenzeit tlw. schon mit knappen 1 GHz hinterhergeschmissen.
- Sparcs, Alphas, m68k, etc.: Nicht gerade wenige der von Debian
unterstützten Plattformen sind eh fossil aber cool. ;-)
Prozessoren
- Generell: Über 100 MHz wunderbar, unter 20 MHz wird's arg
schnarchnasig.
- Pentium 1 wunderbar
- auch die flotteren 486er gehen noch
- 386er haben oft zu wenig RAM
- Alte Sparcs (sun4, sun4c, sun4d) ohne FPU arg langsam bei
Verschlüsselung (z.B. GnuPG, SSH und HTTPS)
Alte Hardware allgemein
- Keine Sorgen um noch nicht vorhandene Linux-Treiber.
- Dafür Sorgen um noch nicht mehr unterstützte Hardware.
Welche Hardware ist noch sinnvoll? (2)
RAM
- Für die meisten Anwendungsfälle soviel wie möglich, evtl. andere
ähnliche Rechner ausschlachten. Ausnahme: z.B. Pentium II bis
333 MHz mit BX-Chipsatz: Werden ab 512 MB RAM langsam.
- Sarge verlangt zur Installation min. 32 MB, Woody kam mit 12 MB
aus, hat aber bald kein Security-Support mehr (*seufz*)
- Ggf. Damn Small Linux installieren und viel Swap
einrichten, danach zu einem Debian machen. (Problem bei Sarge sind
u.a. die riesigen Mengen an Paketen bei Berechnen von
Abhängigkeiten, etc. mit apt.) Wieviel im Betrieb gebraucht wird,
hängt jedoch mehr von den installierten Paketen und deren
Konfiguration ab.
Wieviel Plattenplatz?
- Laut Installationsanleitung reichen für ein Minimalsystem 110 MB,
sowohl für Sarge als auch Woody. Die Standard-Installation braucht
ebenfalls bei beiden ca. 250 MB Platz.
- D.h. mit einer 500-MB-Platte kann man definitiv schon was
anfangen, 1 GB reicht auch für Spielereien.
- Ggfs. mehrere Platten einbauen, z.B. bei einem SCSI-System 3-4
Platten der Größenordnung 200 bis 500 MB und dann eine "Partition"
pro Platte. Alternativ: Platz per LVM auf mehrere Platten
verteilen.
Warum Debian?
Es gibt in der Zwischenzeit einige Distributionen, die speziell auf
alte Hardware zugeschnitten sind — oft mit Anleihen bei
Embedded-Systemen. Meist sind diese Distributionen aber auf genau
einen Zweck zugeschnitten und kommen nur mit einer sehr
eingeschränkten Paketauswahl daher, z.B. Desktop Light (DeLi) Linux oder fli4l, der
Ein-Disketten-Router.
Weiter liefert Debian als eine der wenigen Distributionen neben Kernel
2.6 auch noch Kernel 2.4 sowie Bootdisketten mit.
Debian bietet einem durch seine riesige Paketauswahl sehr gut die
Möglichkeit, ressourcenschonende Alternativen zu den oft speicher- und
MHz-hungrigen Standard-Programmen (KDE, GNOME, OpenOffice.org, Emacs,
etc.) zu wählen und so das System benutzbar zu halten.
Die Installation
Wie fängt man an?
- Bootfähiges CD-ROM-Laufwerk oder PXE-fähiges System? Dann wie
sonst auch. :-)
- CD-ROM-Laufwerk, aber nicht bootfähig? Von Diskette booten und
von CD installieren oder eine Diskette mit dem Smart Bootmanager
(Paket "sbm") machen und dann damit die CD booten.
- Netzwerkkarte oder PCMCIA-Einschub sowie Internetanschluß? Von
Diskette booten und Netzwerkinstallation machen.
- Bei Sparcs empfehlenswert wenn's per CD-ROM nicht klappt:
Netzwerkboot vom TFTP-Server
Bootdisketten-Images für PCs findet man auf jedem Debian-Mirror unter
.../dists/sarge/main/installer-i386/current/images/floppy/.
Tasksel
Wichtig: Während der Installation zu Beginn der Softwareauswahl weder
"Desktop-Umgebung" noch "Webserver" auswählen — die damit
installierten Standard-Pakete sind nicht unbedingt das, was man auf
alter Hardware verwenden will. ;-)
Worauf man bei der Paketauswahl achten sollte
- Programme, die viel Plattenplatz belegen, brauchen auch oft viel
RAM — Doku und Wörterbücher natürlich ausgenommen.
- KDE und GNOME meiden so gut es geht. Einzelne KDE- oder
GNOME-Anwendungen kann man verwenden, ziehen aber meist einen
Rattenschwanz hinter sich her.
- Java-Anwendungen meiden.
- Wenn man eine bestimmte Funktionalität braucht, die von einem
virtuellen Paket zur Verfügung gestellt wird (z.B. einen
Webserver), schauen, was für andere Pakete dieses virtuelle Paket
bereitstellen.
- Kommt das Paket mit meiner Hardware klar? (Stichwort X)
Ressourcenschonende Alternativen
Webserver
Apache alleine braucht nicht viel Ressourcen und ist bei passender
Konfiguration auch für alte Rechner ein Überlegung wert.
"Ressourcenschweine" sind dagegen dynamische Webseiten mit mod_perl,
PHP, o.ä. — nicht nur, weil sie bei jedem Aufruf ausgeführt
werden sondern vor allem, weil sie einmal geladene Module und Seiten
im Speicher halten — und dies für jeden einzelnen
Apache-Kindprozeß.
Lösungen für dieses Problem
- So weit es geht auf dynamisch generierte Webseiten verzichten.
- Dynamische Webseiten von anderen Webserver-Prozessen oder gar
anderer Webserver-Software verarbeiten lassen als Bilder und
statische Seiten. Wenn geringer Speicherverbrauch wichtiger als
Performance ist, Webserver per inetd laufen lassen.
Nützliche Pakete für Webs auf alten Rechnern
- Generieren statischer Webseiten: Website Meta Language (Paket wml,
inkl. m4 und eperl) als Framework, Blosxom für ein statisch
generiertes Blog.
- Effiziente oder kleine Webserver: boa, bozohttpd, dhttpd, fnord,
mathopd, micro-httpd (inetd), thttpd und thy.
Beispiele
- Symlink.ch: Webseiten von www.symlink.ch mit einem Apache mit
mod_perl, Bilder von images.symlink.ch mit einem Boa auf anderer
IP, aber vom selben Host und Verzeichnis. (Dual Pentium III mit
866 MHz)
- noone.org: statische Webseiten und Bilder von einem schlanken
Apache mit mod_proxy, der Anfragen nach dynamischen Seiten an
einem Apache mit mod_perl und Embperl sowie einen Apache mit PHP
auf hohen Ports weitergibt. (War lange Zeit ein Pentium II.)
Alte Rechner als Desktop oder ThinClient
- Remote-Desktop-Clients: rdesktop (Microsoft RDP) und tightvnc
(VNC, auch KDE Remote Desktop)
- Office: AbiWord, LaTeX
- Schlanke Editoren: nano, elvis, joe, zile
- Schlanke Webbrowser: Dillo (GTK+ bzw. zukünftig FLTK), Kazehakase
(Gecko plus GTK+, zukünftig auch andere Rendering Engines,
z.B. die von Dillo), links2 (X und Text-Modus), lynx/lynx-cur,
links/links-ssl, elinks/elinks-lite.
- Schlanke Windowmanager: FVWM, FLWM, ion2/ion3, wm2/wmx, Blackbox/Fluxbox,
Ratpoison ("screen" für X)
- Schlanke Desktop-Umgebungen: XFCE, ROX
Alte Rechner als Spielzeug
Alte Rechner eignen sich auch wunderbar um erste Erfahrungen mit
Debian Unstable aka Sid zu machen. Ein Pentium 1 mit 64 MB RAM reicht
gut aus, um z.B. die neusten Text-Modus- oder
Kommandozeilen-Anwendungen in Sid mal auszuprobieren.
Auf Debian basierende Projekte mit Fokus auf alte Rechner
Debian Light Desktop — Idee eines Meta-Packages
oder Tasks, welcher ressourcen schonende Desktop-Anwendungen
installiert. (Thread auf debian-devel)
Stem Desktop — ein Desktop-Konzept für alte Hardware,
basierend auf einer Debian Stable Basis-Installation. Sieht sich
nicht als Distribution, sondern als Repaketierung von Debian unter
Zuhilfenahme weniger zusätzlicher oder aus Debian rausgeflogener
Pakete.
Damn Small Linux (DSL) — desktop-orientierte
50-MB-Live-Distribution, paßt auf eine Visitenkarten-CD, kommt mit
486DX und 16 MB RAM aus, kann bei Festplatteninstallation in ein
Debian verwandelt werden und in einer 128-MB-RAM-Disk laufen.
Nachteile von Debian
Manche für alte Rechner sinnvolle oder notwendige Pakete sind nicht
oder nicht mehr vorhanden. Bestes Beispiel: Viele alte Grafikkarten
werden von XFree 4 bzw. X.org nicht mehr unterstützt, jedoch noch von
XFree 3.3.6 (in Woody vorhanden).
Ebenfalls von Freunden alter Rechner schmerzlich vermisst in Sarge
wird Siag Office, eine minimales Office-Paket mit Textverarbeitung und
Tabellenkalkulation, das tlw. sogar im Textmodus funktioniert. Auch
GNOME 1.x war wesentlich ressourcenschonender als es GNOME 2.x ist.
Weitere Ideen rund um Debian und alte Rechner
Backports.org kennt heute fast jeder, aber wenn man sich anschaut, was
es aus den verschiedensten Gründen (Toter Upstream, kein Security
Support möglich, keiner will's machen, etc.) nicht mehr von Sarge nach
Woody geschafft hat, dann kommt einem — gerade wenn man mit
alten Rechnern arbeitet — der Gedanke, ob nicht auch mal
forwardports.org Sinn machen könnte — auch wenn dort
Security-Support vermutlich kaum möglich wäre.
Forwardports.org-Kandidaten wären z.B. die schon angesprochenen
Programme XFree 3.3.6, GNOME 1 (bzw. diverse GNOME-1-Anwendungen),
Siag Office, Beaver und vielleicht auch noch der minimale GTK-basierte
Gecko-Webbrowser Skipstone und Emacs 20.
Links
Danke
- Alexander "formorer" Wirt für die Idee und den Tritt in den
Hintern, für den Debian-Day einen Vortrag zu machen.
- Lou Montulli, Michael Grobe und Charles Rezac für
Lynx
- dem Debian-Projekt für
Debian GNU/Linux und insbesondere die immer wieder
beeindruckende Paketvielfalt.
Letzte Änderung an den Quellen: 2006-06-24 12:10:32
Letzte Generierung: 2006-06-24 12:10:59
Generiert von abe@bijou
mit WML 2.0.8 (30-Oct-2001)
$Id: wiederbelebungsversuche-debianday-froscon2006.wml 78 2006-06-24 10:10:31Z abe $